Peter Attia M.D. ist der Host eines spannenden gründlich recherchierten medizinischen Podcasts. Attia hat Praxen in Kalifornien und New York in denen er sich auf die klinische Anwendung der Forschung rund um das Thema „Langlebigkeit“ fokussiert. In einem Podcast von 2018 hat er Richard Isaacson M.D. interviewt. Isaacson ist der Direktor der Klinik für die Prävention der Alzheimer-Demenz (im Folgenden als Alzheimer bezeichnet) im Weill Cornell Memory Disorder Program und er ist Direkter des Ausbildungsprogramms von Assistenzärzten in der neurologischen Abteilung des Weill Cornell Medical College. Isaacson ist (Co-)Autor von 39 Publikationen (Link), die sich mit dem Thema Alzheimer und dessen Prävention beschäftigen.
Link zur Podcast Episode: https://peterattiamd.com/richardisaacson/
Ressourcen von Richard Isaacson M.D.: https://www.alzu.org/
CME Course „Modifying Disease Course in Alzheimer’s Disease: Prevention and Treatment”: https://www.medscape.org/viewarticle/859665_2
Anmerkung: Ich stelle hier nur einen Teil des Podcasts in gekürzter Form dar. Wer alle Details haben möchte hört, dem empfehle ich sich die Episode anzuhören. Mehr grundlegende Informationen zu der Alzheimer-Demenz finden sich auf der offiziellen Seite für Gesundheitsinformation des IQWIG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen). Die Informationen von Isaacson widersprechen teilweise der gängigen, dort dargestellten Meinung und gehen darüber hinaus. Laut ihm kann man präventiv viel mehr tun, als bisher angenommen wird, weswegen er auch intensiv daran forscht.
Inhalt des Podcasts
In der Podcast Episode besprechen Attia und Isaacson die Diagnosekriterien von Alzheimer, wie verschiedene kognitive Funktionen getestet werden und weshalb Patienten an der Alzheimer Erkrankung „versterben“. Danach steigen sie tiefer in die Details der Risikofaktoren ein, wie dem ApoE-Gen, warum das Risiko an Alzheimer zu erkranken für Frauen höher ist (#hormonersatztherapie worauf ich hier nicht eingehe), welche Faktoren die Entstehung von Alzheimer begünstigen und wie man die Erkrankung möglicherweise verhindern oder deren Fortschreiten zumindest verlangsamen kann. In der Hoffnung, dass in dieser Zeitspanne effektive Therapieoptionen entdeckt werden.
Beeinflussende Faktoren
Isaacson nennt drei Faktoren, die die Entstehung von Alzheimer entscheidend beeinflussen: Alter, Gene und die Umwelt. Bei der Genetik spielt vor allem das Apoliprotein E eine wichtige Rolle. Je nachdem welche Allel des ApoE-Gens man von seinen Eltern vererbt bekommen hat verändert sich das Risiko an Alzheimer zu erkranken. Informationen zu der eigenen „Genkonstellation“ kann man über eine genetische Testung erhalten. Isaacson merkt hier allerdings an, dass er denkt, dass man trotz einer „schlechten“ genetischen Ausstattung nicht unbedingt an Alzheimer erkranken muss. Denn die Umwelt (also Ernährung, Bewegung, Psycho-Soziale Faktoren, etc.) spiele eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Herangehensweise
Isaacson nutzt eine diagnostische Herangehensweise, die er als „ABC“ der Alzheimer Prävention bezeichnet:
- Anthropometrie: Also wie hoch der Körperfettanteil und die Muskelmasse ist
- Biomakers (=Laborwerte): Vor allem Lipoproteine und Entzündungen
- (C)Kognitive Funktionen: Klinische Testung der Fähigkeit Informationen zu verarbeiten
Abhängig von den Testresultaten wird ein persönlicher Therapieplan erstellt, der Ernährung, Bewegung, Nährstoffsupplementierung, weitere Lifestyle-Interventionen und ggf. auch medikamentöse Interventionen miteinbezieht. Nach seiner klinischen Erfahrung gibt Isaacson an, dass sich folgende Korrelationen feststellen lässt:
- Pathologische Laborwerte des Fettstoffwechsels korrelieren mit abnormalen „exekutiven Funktionen“, also einer schlechteren Impulskontrolle und/oder eine verminderte Fähigkeit schnell, zielorientiert und situationsangepasst zu Denken und zu Handeln
- Pathologische Laborwerte des Zuckerstoffwechsels korrelieren mit Schwierigkeiten beim Lernen und Erinnern
- Pathologische Homozystein- und Vitamin-D-Spiegel korrelieren mit einer verlangsamten Fähigkeit mentaler Aufgaben (wie z.B. Kopfrechnen) durchzuführen
Empfehlungen
Im letzten Teil des Podcasts geht es um konkrete Interventionen die Isaacson in der folgenden Situation geben würde: Auf einer Party findet jemand heraus, was er beruflich macht. Die Person erzählt sie habe einen bekannten Fall von Alzheimer in der Familie (also möglicherweise ein genetisches Risiko), ist zwischen 30 und 40 Jahren alt und möchte wissen, was sie tun kann um möglichst nicht selbst an Alzheimer zu erkranken. Isaacson empfiehlt hier folgendes:
Bildung ist die mächtigste Waffe, um die Welt zu verändern. – Nelson Mandela
- Bildung
Das Wissen über die Funktionen und die Gesundheit des Gehirns sind hilfreich, um eigenständig Entscheidungen treffen zu können. Ein guter Startpunkt ist Isaac’s Seite Alzheimer’s Universe (englische Sprache). - Werte messen und ggf. modulieren
Isaacson empfiehlt folgende Blutwerte zu messen und die pathologischen durch entsprechende Interventionen zu verändern: Blutdruck, Puls, Gewicht, Lipoproteine und weitere Parameter des Fettsäurestoffwechsels, Blutzucker, Körperfettanteil & Muskelmasse. Wenn man Diabetes, einen hohen Blutdruck oder abnormale Blutfettwerte hat sollten diese unter Kontrolle gebracht werden. Nach Möglichkeit durch Veränderungen des Lebensstils (Bewegung, Ernährung, Schlaf) und wenn notwendig medikamentös. - Training/Bewegung
Bewegung ist eines der einfachsten Dinge, die jeder in seinen Tag integrieren kann, um die Akkumulierung von Amyloid (Bestandteil von Plaques) im Gehirn zu reduzieren. Aerobe (Spazieren, Laufen, Radfahren) und anaerobe Übungen (High-Intensity-Training, Krafttraining, Gewichtheben sollten) sollten kombiniert werden. Sitzen für lange Zeit sollte vermieden werden. „Sitzen ist das neue Rauchen!“ - Ernährung
Isaacson empfiehlt weniger Kohlenhydrate und dafür mehr grünes Blattgemüse zu essen und „intermittierendes Fasten“ zu betreiben. Speziell nennt er Blaubeeren (Krikorian et al, 2010), die (möglicherweise wegen der enthaltenen Anthocyanine) die Gedächtnisfunktionen verbessern können. „Je größer der Bauch ist, desto kleiner ist der Hippocampus“ (Hippocampus = Teil des Gehirns, der eine wichtige Rolle bei der Gedächtniskonsolidierung spielt). - Schlaf und Stress
Angemessen viel und guter Schlaf und die Reduktion von Stress seien wichtig, um Alzheimer abzuwenden.
Einen konkreten Überblick bietet eine Grafik in einer seiner Studien:

Ganz am Ende des Podcasts sprechen Attia und Isaacson über die „Kognitive Reserve“. Wie sehr schützt das „geistig aktiv sein“ vor einem Abbau kognitiver Fähigkeiten. Anekdotische Evidenz zeigt häufig eine Verbindung zwischen z.B. der Berentung und somit weniger geistiger Aktivität und dem Abbau kognitiver Fähigkeiten. Die Studienlage hierzu sei nicht eindeutig. Aus seiner klinischen Erfahrung kann Isaacson aber Folgendes sagen: Bei Patienten, die die Diagnose Alzheimer erhalten UND geistig noch sehr aktiv sind und einen Sinn in ihrem Leben haben, ist das Fortschreiten der Erkrankung langsamer. Fällt die Aktivität und der Sinn weg nehmen die kognitiven Fähigkeiten allerdings schneller ab.
Key Take Away
Leider habe ich in Deutschland bisher von keinem klinisch tätigen Arzt und Forscher gehört, der mit einem präventiven, nicht medikamentösen Ansatz die Entstehung von Alzheimer behandelt UND diese Daten auch publiziert. Nur so können sich solche ganzheitlichen Ansätze durchsetzen und man kann herausfinden wie wertvoll Interventionen von Lebensstilfaktoren im klinischen Alltag sein können. Das ist bei der Alzheimer-Erkrankung besonders wichtig, da medikamentöse Ansätze bisher überdurchschnittlich oft negativ sind. 99 % aller Medikamentenstudien bei Alzheimer zwischen 2002 und 2014 konnten keine signifikanten Erfolge zeigen! (Cummings et al., 2018)Nicht jeder hat das Risiko an Alzheimer zu erkranken, jedoch könnte man die oben genannten Empfehlungen auch Personen geben, die sich allgemein für ihre Gesundheit interessieren. Mit einer Ernährungsumstellung, intermittierendem Fasten und Sport zum Abnehmen, einer Kontrolle der Entzündungsparametern und einer Behandlung von Fettstoffwechselstörungen kann man auch im Bezug auf Herzinfarkte, Schlaganfälle und z.B. Diabetes Typ 2 präventiv arbeiten!